
CDU-Chef Friedrich Merz hat auf dem Weg ins Kanzleramt überraschend einen schweren Rückschlag erlitten: Der 69-Jährige scheiterte am Dienstag bei der Wahl im Bundestag im ersten Wahlgang. Er erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament.
Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik in der Form ein Novum: Noch nie ist nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag gescheitert. Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) das Ergebnis verlas, zeigte der designierte Kanzler kaum eine Regung: versteinerte Gesichtszüge, der Kiefer fest, der Blick geradeaus. Was ein Tag des so lange erarbeiteten Triumphs hätte sein sollen, wurde ein Debakel.
An der SPD habe es nicht gelegen, versicherten die Genossen sofort. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil erklärte nach Angaben aus Fraktionskreisen, er habe „nicht den geringsten Hinweis, dass die SPD nicht vollständig gestanden hat“. Das deutliche Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag sei ein Auftrag an die Fraktion. „Und sie erfüllt diesen. Auf uns ist Verlass“, betonte der designierte Vizekanzler, der gebürtig aus Niedersachsen stammt.
Hamburgs CDU-Landes- und Fraktionschef Dennis Thering sah im Scheitern seines Bundesvorsitzenden Friedrich Merz im ersten Durchgang eine schwere Belastung für die Demokratie und forderte eine klare Mehrheit im zweiten Wahldurchgang.
Zweiter Wahlgang erfolgreich
Die Spitzen aller Fraktionen – bis auf die AfD – hatten sich in einem Gespräch auf einen raschen zweiten Wahlgang geeinigt. Er fand am Dienstagnachmittag statt. Friedrich Merz trat erneut als Kanzlerkandidat an und wurde mit einer Mehrheit als Bundeskanzler gewählt.
SAT.1 REGIONAL/dpa